Montag, 29. Februar 2016
ORGANSPENDE
Ich diskutiere in einer Schule über Organspende.
„Ich mach das nicht“, sagt Leonie. „Die schalten dann die Geräte früher ab, nur weil sie die Organe wollen.“
„Aber was machst du, wenn du selbst mal ein Organ brauchst?“, fragt Jonas. „Dann sagst du doch nicht nein. Man kann nicht nur nehmen! Man muss auch was geben!“
„Ich habe einen Spenderausweis“, sagt Julia. „Wenn ich sterbe, schließe ich ja auch nicht vorher den Kühlschrank ab.“
Die anderen schauen sie mit Fragezeichen in den Augen an.
„Na, wenn ich tot bin“, sagt Julia, „habe ich doch nichts mehr von den Lebensmitteln im Kühlschrank. Die können doch andere haben. Und sich dran freuen. Sonst vergammeln die Lebensmittel.“
Jeder Vergleich hinkt, sagt man. Aber dieser Vergleich imponiert mir. Organe als Lebensmittel. Ganz wörtlich. Die ich anderen weitergebe. Weil ich selbst nichts mehr davon habe. Ich schaue in meinem Geldbeutel nach. Ja, da ist der Organspendeausweis. Gut, dass ich einen habe, denke ich. Danke, Julia, für das Bild mit dem Kühlschrank!
Und morgen ist ein neuer Tag
Felix Leibrock, Evangelische Redaktion
Dienstag, 01. März 2016
PARKEN
Meine Tochter Johanna hat gerade den Führerschein gemacht. Sie parkt neben meinem Auto. Viel zu eng. Meine Autotür geht nicht weit genug auf. Ich komme nicht in mein Auto rein. Ich warte, bis Johanna kommt. Mache ein Foto. Sie muss selber lachen, als sie sieht, wie sie mich zugeparkt hat.
Später poste ich das Foto im Internet und schreibe dazu: „Der Glaube der Tochter an den schlanken Vater.“
Eine Frau schreibt: „Sie wird immer die Nähe des Vaters, der Eltern suchen.“
Hm, denke ich mir, das ist aber weit hergeholt. Oder vielleicht doch nicht?
Ich schaue mir wieder das Foto mit den parkenden Autos an. Meine Tochter parkt so eng an mir dran, weil sie die Verbindung zu mir halten will. Irgendwie ein schöner Gedanke.
Und morgen ist ein neuer Tag
Felix Leibrock, Evangelische Redaktion
Mittwoch, 02. März 2016
WÜRDIGER ABSCHIED
Als Frau Sperber stirbt, findet man erst drei Tage später die Leiche. Frau Sperber hat keine Angehörigen. Aber auch sonst scheint niemand die alte Frau beachtet zu haben.
Es sieht so aus, als ob kein einziger Mensch zur Beerdigung kommt. Der Bürgermeister in der bayerischen Kleinstadt bekommt das mit. Er sagt: „Das darf es in unserer Stadt nicht geben. Dass jemand ganz ohne Teilnahme beerdigt wird.“
Er geht durchs Rathaus, in die verschiedenen Ämter. Schnell hat er ein Dutzend Mitarbeiter zusammen. Gemeinsam nehmen sie ihre Mittagspause und gehen zum Friedhof. Mit dem Bestatter sprechen sie ein Gebet, hören einen Text, zwei Lieder. Ein würdiger Abschied für Frau Sperber.
Aber war das Leben denn ein würdiges? Wenn niemand sich um Frau Sperber gekümmert hat? Es gibt so viele einsame Menschen. Wer auf sie zugeht, sie besucht, bekommt so viel Dank zurück!
Und morgen ist ein neuer Tag
Felix Leibrock, Evangelische Redaktion
Donnerstag, 03.03.2016
Der Akku
Mein Sohn Martin schenkt mir einen Akku.
„Damit kannst du dein Handy aufladen, wenn du unterwegs bist“, sagt er.
„Brauch ich nicht!“, sage ich. „Ich finde immer irgendwo eine Steckdose.“
Ja, ich finde meist ein Steckdose, das stimmt. Natürlich frage ich immer, ob ich aufladen darf. Wirklich immer? Habe ich nicht schon mal Strom geklaut? In der Gaststätte? Im Flughafen?
„Vielleicht kann ich das Ding doch gebrauchen“, sage ich ein paar Stunden später zu Martin.
Er schmunzelt. Du sollst nicht stehlen, habe ich ihm beigebracht, als er klein war. Und jetzt will ich ihm sagen: Ich brauch den Akku nicht, weil ich mir den Strom weiter stehle?
Ich weiß nicht, ob er die Gedanken ahnt. Aber wenn…, dann hat er Recht. Einen Akku, den ich zuhause auflade. Mit selbst bezahltem Strom. Jetzt habe ich ein gutes Gewissen.
Und morgen ist ein neuer Tag
Felix Leibrock, Evangelische Redaktion
Sonntag, 06. März 2016
VERRAT?
Ich fahre mit dem Zug durch das Dorf, in dem ich aufgewachsen bin. Über sieben Generationen hat meine Familie dort ein Anwesen besessen. Großes Geschäftshaus, Scheunen, ein prächtiger Garten. Meine Eltern sterben. Ich habe in dem Ort keine berufliche Perspektive. Was tun? Das Haus verfallen lassen? Geht nicht. Ich muss es verkaufen.
Jetzt also fahre ich mit dem Zug durch das Dorf. Da sagt mir eine Stimme: „Verräter! Das Haus verkaufen! Was würden da deine Eltern sagen!“
Nun glaube ich nicht an Gespenster. Trotzdem beschäftigt mich diese Stimme. Bin ich ein Verräter?
Ich weiß, was ich tun muss. Ich fahre in meinen Heimatort, besuche das Grab meiner Eltern. Bleibe eine Weile dort und bete. Danach bin ich mir gewiss: Meine Eltern würden mich verstehen. Nein, ich bin kein Verräter, weil ich das Haus verkauft habe. Dann besuche ich das Haus. Die Käufer haben es schön renoviert. Ich bin mir sicher: Meine Eltern hätte ihre Freude daran!
Und morgen ist ein neuer Tag
Felix Leibrock, Evangelische Redaktion