Montag, 17. Juli 2017
Die Zeit vergessen
Konstantin Wecker ist 70 Jahre alt geworden. In seiner Autobiographie schreibt er: „Die Augenblicke, in denen mir meine Gedichte passieren, sind außerhalb der Zeit.“
Augenblicke außerhalb der Zeit. Etwas tun und nicht merken, wie die Zeit dabei vergeht. Wann passiert das?
„Wenn ich bei meinen Bienen bin und die so schön summen, bin ich in einer anderen Welt“, sagt mir ein Imker. Anderen geht es so beim Joggen mit lauter Musik auf den Kopfhörern. Anderen bei Brettspielen mit der Familie. Anderen beim Beten.
Augenblicke außerhalb der Zeit. Für mich sind das Momente höchsten Glücks. Ich glaube, wir brauchen das immer mal wieder, um zu entspannen.
Für Konstantin Wecker ist das so, wenn er Gedichte schreibt. Ich lebe immer am Strand, ist so eins. Und: Wenn der Sommer nicht mehr weit ist, ein andres. Danke, Konstantin Wecker, für alle diese Lieder. Wenn ich sie höre, vergesse ich manchmal die Zeit.
Und morgen ist ein neuer Tag
Felix Leibrock, Evangelische Redaktion
Dienstag, 18. Juli 2017
Watzmann
Mein Sohn ist zehn Jahre alt. Wir wollen den Watzmann besteigen. Vom Königsee aus brechen wir bei Sonnenaufgang auf. Zweitausend Höhenmeter liegen vor uns. Ein heißer Sommertag bricht an. Kurz vor dem Watzmannhaus mache ich schlapp.
„Hey, Papa, komm, weiter“, sagt mein Sohn.
Du hast gut reden, denke ich mir, du Leichtgewicht. Aber ich raffe mich auf. Gehe weiter.
Am Watzmannhaus trinke ich eine Radlerhalbe. Ich esse eine Leberknödelsuppe. Das wirkt wie Doping. Wir steigen weiter Richtung Gipfel. Plötzlich mag mein Sohn nicht mehr. Er hat keine Kraft mehr. War wohl doch zu schnell bisher hochgehüpft. Ich muntere ihn auf. Es geht weiter. Irgendwann sind wir dann auf dem Gipfel. Es gibt eine Spezi für beide. Unser Gipfelbier. Wir strahlen wie die Honigkuchenpferde.
Was wir beide damals gelernt haben: Wenn man sich gegenseitig aufmuntert, schafft man Großes. Sogar den Watzmann an einem Tag rauf und runter.
Und morgen ist ein neuer Tag
Felix Leibrock, Evangelische Redaktion
Mittwoch, 19. Juli 2017
Heiratsantrag?
Gab es einen Heiratsantrag, frage ich das Brautpaar.
„Ja“, sagt die Braut. Sie heißt Nadja.
„Und wie lief das ab?“, frage ich.
„Ich habe Markus gefragt“, sagt Nadja.
„Sie haben den Zukünftigen gefragt?“ Ich bin überrascht. So rum hatte ich es noch nie.
„Ja, aber ohne Kniefall.“
„Okay“, sage ich. „Wieso lief das bei Euch so rum?“
„Na, er hat mich nicht gefragt. Und da habe ich mir gedacht: Bevor ich jetzt bis zum Sankt Nimmerleinstag warte, frage ich selbst.“
Ich schmunzele. Gefällt mir gut, was die Nadja sagt. Das ist doch mal emanzipiert.
„Ich war auch bei seinem Vater“, fährt sie fort. „Hab ihn gefragt, ob er einverstanden ist.“
„Sie haben also beim Schwiegervater um seine Hand angehalten“, sage ich.
„Genau!“ Sie sagt das, als ob es das Selbstverständlichste der Welt ist. Und lacht herzerfrischend. Markus, der Bräutigam, lacht mit.
Die Trauung einige Tage später war sehr heiter. Gelöst. Irgendwie total cool.
Und morgen ist ein neuer Tag
Felix Leibrock, Evangelische Redaktion
Donnerstag, 20. Juli 2017
Heilige Augenblicke
Als Pfarrer taufe ich oft Babys. Bei meiner ersten Taufe schreit das Baby laut. Bei der zweiten auch. Bei der dritten auch. Nanu, haben die Angst vor mir? Vor meinem schwarzen Kleid? Dem Talar?
„Wie lässt du denn die Eltern das Kind halten?“, fragt mich ein erfahrener Kollege.
„Na, das Baby schaut in die Taufschale.“
„Und dann kommst du mit dem Wasser von oben? Ohne dass es das Wasser kommen sieht?“
„Ja“, sage ich.
„Dann versuch es mal anders rum“, sagt der Kollege.
Bei der nächsten Taufe schaut Tim, das Baby, nach oben. In die Augen der Mutter. Was macht Tim?
Er ist still. Kein Laut. Warum? Er sieht die Mutter. Ihr Lächeln.
„Tim, ich taufe dich im Namen ….“ Dreifach gieße ich ihm Wasser über den Kopf. Tim bleibt ruhig, schaut seine Mutter an und sie ihn.
So ist es jetzt meistens bei Taufen. Mal ist es die Mutter, mal ist es der Vater. Immer spürt der Täufling: Ich brauche keine Angst zu haben. Es gibt jemanden, der über mich wacht. Für mich sind das jedes Mal heilige Augenblicke.
Und morgen ist ein neuer Tag
Felix Leibrock, Evangelische Redaktion
Sonntag, 23. Juli 2017
Besser als ihr Ruf
Ich will 500 Kilometer wandern. In sieben Tagen will ich die Strecke schaffen. Nach zwei Tagen bluten mir die Füße. Ich schlafe schlecht. Alles tut mir weh. Aber ich muss weiter. Es geht um eine Wette. Und um Spenden für einen guten Zweck.
„Wie humpeln Sie denn daher?“, fragt mich eine Frau. Ich erkläre ihr meine Lage. Sie holt mich ins Haus, kramt spezielle Pflaster und Salben hervor.
„Sie sind ja schwer angeschlagen!“, sagt ein Mann zwei Orte weiter. Er bietet mir Zwetschgendatschi an. Und Schnaps.
Am fünften Tag kann ich nicht mehr laufen. In einem Krankenhaus verbindet mir ein Chirurg die Füße. Er schenkt mir seine riesigen OP-Clocks. Mit ihnen kann ich zwar nicht laufen. Aber er leiht mir sein Fahrrad aus. So komme ich zum Ziel. Spenden für den guten Zweck fließen reichlich. Aber was mich am meisten beeindruckt: Es gibt viele, viele Menschen, die gerne helfen. Oder, wie ich es mal irgendwo gelesen habe: Die Menschen sind besser als ihr Ruf.
Und morgen ist ein neuer Tag
Felix Leibrock, Evangelische Redaktion